Mit dem Fahrrad zur Arbeit – eigentlich nichts Besonderes. Anders sieht das aus, wenn der Fahrer beim ZBT arbeitet und das Rad einen Wasserstoffantrieb hat. Dann sammelt sich schnell eine ganze Traube neugieriger Menschen um den Drahtesel.
Der Kollege mit dem Rad ist ZBT-Abteilungsleiter Dr. Jörg Karstedt, und er hat sich zu Forschungszwecken ein Brennstoffzellen-Fahrrad bestellt. Ein Elektrolyseur für zuhause und ein Metallhydridspeicher für den Wasserstoffvorrat sind mit dabei.
Nach eingehendem Studium der ausschließlich in chinesischer Sprache verfassten Bedienungsanleitung unter Zuhilfenahme eines Online-Übersetzungstools konnte er den Speicher mittels des mitgelieferten Heim-Elektrolyseurs erfolgreich in ca. 6 Stunden mit den vorgesehenen 20 Gramm Wasserstoff auffüllen. Klingt wenig, reicht aber laut Hersteller für bis zu 60 km elektrische Unterstützung beim Radeln.
Und dann starten einige Kolleg:innen, die das zulässige Fahrer:innen-Maximalgewicht von 75 kg unter- oder nicht allzu weit überschreiten, zu kurzen Testfahrten. Und was soll man sagen: Das Rad fährt, und die Brennstoffzelle liefert Strom für den Elektromotor. Erstaunliche 5 Jahre Garantie verspricht der Hersteller auf den Brennstoffzellenstapel. Die Verarbeitung mit einigen scharfen Graten kann nicht ganz überzeugen, und die fahrradseitigen Komponenten sind insgesamt „eher günstig“, urteilt der fahrradaffine Teil der Belegschaft, aber es sind durchaus auch Produkte namhafter Hersteller dabei.
Unser Rad inkl. Elektrolyseur und Speicher lag preislich im Bereich von deutlich hochwertigeren Marken-E-Bikes. (Der Anbieter hat allerdings zwischenzeitlich den Preis deutlich erhöht.) Eine kurze Recherche ergab, dass das Fahrrad in China zu einem erstaunlich günstigen Kurs verkauft wird. Wenn die Produktionskosten für die Komponenten des Brennstoffzellensystems und des Elektrolyseurs weiter sinken, könnten die Preise zukünftig konkurrenzfähig sein, denken wir.
Das Fuel-Cell-Bike ist ähnlich schwer wie ein E-Bike mit Battery-Pack. Und theoretisch bräuchte man nur den Speicher tauschen und könnte sofort mit E-Unterstützung weiterfahren, wenn einem die 50 bis 60 km Reichweite mit einer Füllung nicht ausreichen.
Unsere Überlegungen zu Einsatzmöglichkeiten: Fürs Pendeln zur Arbeit, für Fahrten im Umkreis und stationäre Bikesharing-Angebote könnten Fuel-Cell-Fahrräder auch jetzt schon funktionieren. Für die große Tour wär's aber schon unpraktisch. Zum Mitnehmen ist der Elektrolyseur definitiv zu sperrig und zu schwer. Zwei, drei Flaschen im Gepäck wären wohl das Maximum.
Grundsätzlich könnte man sich natürlich vorstellen, dass Bikesharing-Anbieter in Zukunft an ihren Stationen Flaschentausch anbieten. Oder ein Tauschsystem im Handel analog zu den Getränkesprudler-Patronen. Damit könnte man dann auch andere Anwendungen mit Energie versorgen...
Zurzeit ist so ein Fahrrad hierzulande sicher eher ein Gadget für technikbegeisterte Wasserstoff-Fans. Auf dem chinesischen Markt gibt es wohl bereits ein Bikesharing-System mit diesen Brennstoffzellen-Rädern. Wie weit das schon implementiert ist und wie verbreitet die Fahrräder dort sind, entzieht sich aber unserer Kenntnis.
Unser Fazit: Dieses Brennstoffzellen-Rad hat sicher noch Verbesserungspotenzial. Aber wir freuen uns schon mal, dass die Technik offensichtlich funktioniert und dass die Produktionskosten für die Komponenten die richtige Richtung eingeschlagen haben: bergab.
Und jetzt? Was einem solchen Fahrrad widerfährt, das in die Hände unserer Forscher:innen gerät, kann man sich leicht ausmalen. „Wir lassen es noch ein bisschen so stehen, es kann gerne für Probefahrten genutzt werden – aber ab Ende August wollen wir es auseinandernehmen“, kündigt Karstedt an.